
Einmal im Jahr dürfen wir richtig Gas geben und so tun, als ginge ohne uns rein gar nichts.
Liebe Männer, wir wissen, dass viele von euch schon verstanden haben, dass es tatsächlich so ist. Ohne uns geht wirklich rein gar nichts. Die Besten unter euch haben noch nicht einmal ein Problem damit, uns einen Chefsessel oder ein adäquates Gehalt zu gönnen. Wir gönnen euch im Gegenzug Familienzeit, 24/7 mit monotonen Abläufen, linearen Tagesplänen voller Quer- und Schrägbalken, zärtliche Liebe und große Sorgen in Reinform. Nur ihr könnt ermessen, was jahrhundertelang für unsere naturgemäße Lebensaufgabe gehalten wurde, und was der Preis war, den wir dafür bezahlt haben. Natürlich haben es einige unter uns wirklich für ihre wahre Lebensaufgabe gehalten und waren damit ausnehmend glücklich. Den vermutlich meisten Frauen war diese Aufgabe aber genug für eine begrenzte Zeit, denn sie hatten noch andere Talente in sich entdeckt, die heraus wollten. Mittlerweile gelten sie nicht mehr als Rabenmütter, und diejenigen, die sich in der Fürsorge austoben, auch nicht mehr als Dummchen.
Dass wir noch meilenweit vom Ideal entfernt sind, in dem sich Männer und Frauen ALLE Aufgaben teilen, je nach Vorliebe und Fasson, ist einer der Gründe für den Weltfrauentag. Damit kann ich aber leider nicht feststellen, dass die bloße Existenz des Frauentages dazu führt, dass bestimmte Sorten von Männern darüber nachdenken, warum es ihn gibt. Geschweige denn, dass es ihn gar nicht geben dürfte, weil Männer und Frauen überall gleiche Rechte und Pflichten sowie gleichwertiges Ansehen haben.
Seit einigen Jahren bedenkt mich ein ehemaliger Kollege jedes Jahr am Weltfrauentag mit herzlichsten Glückwünschen zu ebenselbigem. Er ist Schwarzafrikaner und hat jahrzehntelang in der früheren „DDR“ gelebt und gearbeitet. Daher ist ihm dieser Feiertag heilig. Die meisten Blumen habe ich an diesem Tag von anderen Frauen bekommen, oder von Kursteilnehmern aus den ehemaligen Ostblockländern. Den Feiertag verdanken wir dem Kommunismus, der ohne die Arbeit der Frauen wohl noch früher bankrott gegangen wäre.
Dass er hier angekommen ist, hat – wenn nicht gerade eine Pandemie herrscht – zumindest den Vorteil, dass man sich für diesen Tag oder Abend eine Kulturveranstaltung in der Nähe gönnen kann, bei der Frauen sich im eigenen Glanze sonnen können. Mir persönlich haben die Satire-Abende am besten gefallen, das waren die einzigen Male, bei denen ich über all das lachen konnte, über das ich mich an jedem anderen Tag des Jahres eher geärgert hätte. Dass die Chefs keinen Kaffee mehr kriegen, weil die Assistentin corona-positiv im Home-Office arbeitet, oder dass die neue Standortleiterin weniger Gehalt bekommt als ihr männlicher Vorgänger, weil sie ja sowieso schwanger wird und dann das viele Geld nicht mehr wert ist. Aber niemand ahnt, dass die Standortleiterin in eingetragener Lebenspartnerschaft mit ihrer Jugendfreundin und fürstlich von deren Salär als Chefin einer Kondomfabrik lebt.
In meinem Umfeld sehe ich, dass die klassischen, von Frauen besetzten Arbeitsstellen, noch immer eklatant unterbezahlt sind und die Arbeitgeber ohne diese „Preispolitik“ in unserem Wirtschaftssystem auch gar nicht überleben würden. Viele Chefsessel werden noch von Männern besetzt, aber ich stelle fest, dass die taffen Frauen immer mehr Führungsstellen besetzen. Nun meine ich zu beobachten, dass diese zunehmende, fast unmerkliche Umstrukturierung auch dazu führt, dass die Stutenbissigkeit abnimmt. Die „führenden“ Frauen müssen nicht mehr um rare Stellen kämpfen, sondern zollen sich gegenseitig Anerkennung, helfen sich gegenseitig hoch.
In meiner eigenen Familiengeschichte waren tatsächlich immer die Frauen diejenigen, die den Laden maßgeblich gestemmt haben. Das lag in der Großmüttergeneration einfach daran, dass der Krieg ihnen die Männer geraubt hatte. Meine Eltern haben gemeinsam ein kleines Firmenimperium aufgebaut, an dem meine Mutter den maßgeblichen Anteil hatte. Aber sie hat ihren Töchtern beigebracht, dass ein Mann immer hören muss, dass ER der Chef ist, und dass nur ER die weiterführenden Ideen hatte. So kann das mit der Gleichberechtigung natürlich nichts werden…
In meiner Generation habe ich junge Männer erlebt, die den jungen Frauen vorwarfen, sich selbst verwirklichen zu wollen, während sie selbst sich angeblich in ungeliebten Berufen den Buckel krumm machen mussten. Niemand hat diesen Jungs verboten, sich selbst zu verwirklichen und Berufe zu ergreifen, die ihnen Spaß machen. Und niemand hat sie gezwungen, zu heiraten und Familien zu gründen. Aber sobald Kinder da waren, legten die Frauen ihre so böse geschmähte Selbstverwirklichung mehr oder weniger auf Eis. Recht machen konnte es schließlich keiner niemandem. Heute stellt sich diese Frage in der Regel nicht mehr: Beide MÜSSEN arbeiten, sonst reicht das Geld nicht. Glücklich die Frauen, deren Männer sich nicht zu schade sind, die Kinder ins Bett zu bringen und anschließend das Klo zu putzen, damit sie mal eine Extrarunde schlafen können.
Allen Leser*innen möchte ich zum Schluss dieses unvollendet zu nennenden Artikels aber noch ein Bonmot der unvergessenen Heidi Kabel ans Herz legen. Hierfür vielen Dank an #„holllyygolightlyy“ und # „tsiebenstern“ auf Instagram. Wer mir ein entsprechendes Beispiel liefern kann, möge sich bitte zu Wort melden:
Die Gleichberechtigung ist erst dann erreicht, wenn auch einmal eine total unfähige Frau in eine verantwortliche Position aufgerückt ist!